Eine Woche Zittern und Bangen: Holgers Auge hatte sich so schlimm entzündet, dass wir bekanntlich die Shows mit Kettcar in Münster und Würselen/Aachen absagen mussten. Schließlich musste er sogar ein paar Tage stationär behandelt werden. Freitag morgen dann die Entwarnung: Holger wurde gegen 13h entlassen und wir konnten los zum
Abifest Lingen.
Stephan und ich trafen uns in Aachen am Hauptbahnhof und fuhren also nach Köln, wo wir zunächst Jan vom Studio und Britta von Liftboy trafen; letztere übernahm erstmals unsere Tourleitung. Klamotten eingekramt, Holger eingekramt, auf die Bahn. Angenehme Fahrt mit Britta am Steuer und Stephans TomTom daneben. In Lingen regnete es natürlich. Und es war bitterkalt. Im Juli. Tsts. Glücklicherweise war Hilly schon da, ebenso wie die Jungens von
Virginia Jetzt!. Also zusammengerückt, weil die ja alle nett sind. Kasel aus Trier hatte eine Flasche Moselfeuer im Marschgepäck, was sich durchaus als hilfreich erwies; lecker Essen allein macht nicht unbedingt warm. Nachdem schließlich auch Jonas angekommen war, wurde es langsam dunkler und immer kälter. Der Regen hielt an, wenn auch nicht mehr so stark. Gegen 23:00h und nach einer starken Show von VJ! wurde es Zeit. Auf die Bühne: Umbau, Aufbau, Check, alles ganz entspannt. Wie trügerisch...
Denn diese Show, die dann folgen sollte, bezeichne ich ohne zu übertreiben als die schlimmste, die ich je gespielt habe. Eine Chronologie:
- - 1. Song: A clash at the night club -- während des Gitarrenintros soll ich anzählen, lasse mir aber zuviel Zeit, Holger zählt an und alle erschrecken sich, als es richtig losgeht.
- - 2. Song: I'm a ghost -- Hillys Bass fällt immer mal wieder aus. Mal hört man ihn, mal nicht. Hilly selbst wird sauer. Das passiert während des Rests des Sets immer wieder, also springen wir zum
- - 4. Song: Keep on, bad bird -- dieses Stück wird heute gefühlt 8-stimmig gesungen, da das Feedback auf meinem Monitor im Refrain nach Münchener Freiheit mit Bronchitis klingt. Spätestens jetzt werde ich sauer... Die Feedbacks bleiben hartnäckig bis zum Ende des Sets auf den Monitoren. Der Monitormischer bleibt trotzdem ruhig.
- - 5. Song: Everytime you say Hey! -- Holger wollte diesen Song solo spielen, doch das Wetter hat die halbakkustische Epiphone unstimmbar gemacht, sodass der Song gänzlich ins Wasser fällt. Also kommen alle wieder bedröppelt auf die Bühne und lachen doof...
- - 7. oder 8. Song: A town called malice -- vor lauter Ärger über die sich häufenden technischen Probleme auf der Bühne und vor lauter Antibiotika im Körper versagt Holger gänzlich die Stimme. Da kommt nichts mehr aus dem Hals. Also soll ich town called malice singen. Gerne. Wenn ich mehr als die erste Strophe kennen würde. Macht aber anscheinend nichts, der Song wird angezählt. Danke, Paul Weller, Dein Lied klingt auch dann noch gut, wenn man nur die erste Strophe wiederholt. In den nächsten Stücken passiert noch ähnliches (Bass, rausgetretene Kabel, verlegenes Lachen, das Equipment verabschiedet sich Stück für Stück), daher kommen wir zum
- - letzten Song: Drop that beat -- das einzige Stück, das heute ohne Probleme von der Hand geht. Gute Sache, gerade weil es eben das letzte Stück ist. Vermutlich ist das auch der Grund, warum die Leute das ganze Set nicht halb so schlimm fanden, wie wir. Auch das konnte uns nicht mehr trösten.
Der Rest des Abends ist relativ schnell erzählt, weil relativ schnell passiert: eingekramt, Flappe gezogen, Bier getrunken, verabschiedet. Ab ins Hotel, eine Art christliches Konferenzzentrum, das Bibeln auf den Zimmern bereithält, in Hillys Fall auch eine aufgeschlagene...
Aufstehen um 7:30h ist das Ding, denn wir müssen spätestens um 12h in Bonn sein. Wir frühstücken also, wobei Hilly sich einen Spaß draus macht, den beim Aufschnitt befindlichen Braten mithilfe einer bekritzelten Serviette zum Satansbraten zu machen, was von den Bediensteten des christlichen Konferenzzentrums geschickt mit einer aus der Hüfte begangenen Wegwerfbewegung in Richtung Papierkorb zweimal geschickt übergangen wird. Wir verabschieden uns noch von Virginia Jetzt! und hüpfen von Britta angetrieben in den Bus Richtung Bonn.
Die Fahrt verschlafe ich größtenteils. Die Ankunft auf dem Gelände der
Rheinkultur bekomme ich wieder mit, weil ich dringend aufs Klo muss. Jucheh, endlich wieder
Dixi-Klos... wer die erfunden hat muss entweder ein Fan von Bazooka-Joe Kaugummis gewesen sein (das ist meiner Meinung nach der erste Geruch, wenn man die Tür öffnet), oder seinen Geruchssinn bei einem Atomschlag verloren haben (wegen des zweiten Geruchs, wenn man die Tür öffnet). Wiedemauchsei, wir bekommen Wohnwagen 5 und einen Parkplatz zugeteilt und bereiten uns auf die Show vor.
"Sowas Schlimmes wie gestern passiert nie mehr, ja?" Ich glaube, jeder von uns hat das mindestens einmal gesagt. Nichts desto trotz freuen wir uns auf die große Bühne der Rheinkultur. Schließlich waren wir vor 5 Jahren schonmal da und wissen also, was uns Tolles erwartet. Umbau, Aufbau, Check, alles ganz entspannt. Die Show rollt an und vom ersten Ton an weiß ich, dass heute nichts schief geht. Irgendwann entfährt mir ein gebrülltes "Rheiiiiiinkultuahh!", indem so ungefähr alles liegt, was mir seit dem Vortag unter den Nägeln brennt. Musste raus. Holger lacht sich kaputt, ich fühle mich befreit. Der Rest des Sets geht so gut von der Hand wie gestern drop that beat. Die Leute sind mit dabei und machen die Sache rund. Ich würde lügen, wenn ich sagte, mir wäre kein Stein vom Herzen gefallen. Pale haben wieder gerockt!
Und dann: Visionszelt, Autogrammstunde. Das ist immer so eine Sache, fühlt sich immer noch komisch an, bauchpinselt einen aber ungemein. Hilly muss auf einem Hintern (männlich) unterschreiben,
Autogramme sind fürn Arsch?
Holger auf drei paar Brüsten (weiblich). Ja, davon gibt es auch Fotos, die ich aber aus Pietätsgründen weglasse. Nur soviel: Das ist lange nicht so sexy und rock'n'rollig (ich weiß, nettes Wortspiel...!), wie man sich das eben im Rock'n'Roll Mythos vorstellt; im Gegenteil lässt einen seine verdammte Erziehung eher beschämt zu Boden gucken. Na ja... Stephan wird noch ein bisschen angemault, Jonas kommt zu spät, nur Britta und ich kommen ungeschoren davon. Ich unterschreibe auch ein paar Mal, aber nur auf harmlosem Papier...
Danach geht es zum Human Kicker, echte Menschen an der Stange. Das Pale-Team - aufgemöbelt mit ein paar Kumpels - gewinnt 5:4 gegen eine Fanmannschaft. Ich war in den sieben Minuten ganze einmal am Ball, habe aber dirigiert, wie einst Effenberg: viel maulen, ab und zu der geniale Pass, wenig laufen. Hilly hält hinten, was zu halten ist, ein paar weitere Teamkollegen bolzen mit den Schienbeinen gegen die Stangen, dass es eine chirurgische Freude ist...
Es folgt ein etwas seltsames Interview vor der Zuschauertribüne, danach verteilt sich die Band auf dem Gelände, um den Abend ausklingen zu lassen (Bier, essen und quatschen...).
Wie gesagt, die Rheinkultur gestaltete sich sehr entspannt (gerade nach so einem Vorabend), man konnte Leute treffen und sich einfach dazu gesellen (Madsen, Kim Frank, Thomas D), man durfte nicht auf die Bühne (Calexico), aber dafür herrlichst Backstage rumhängen. Irgendwann während de Show der
Fantastischen Vier bin ich dann auch nach Hause gefahren. Das war ein Abenteuer für sich, das den Rahmen hier sprengen würde. Auch wenn Holger sichtlich geschafft war, es hat sich wiedermal gelohnt! Muchas gracias por todos, hombres!